Dr. H. GUTZER
Kleincomputer in der
DDR - eine Übersicht
"Was kann eigentlich solch ein Kleincomputer?"
- diese Frage wird oft auf Messen und Ausstellungen gestellt. Es ist auch
für den Experten schwierig, darauf eine kurze und allgemeingültige
Antwort zu geben, da nicht Name, Aussehen und Größe des Computers,
sondern die gegebenen Hard- und Softwarebedingungen die Leistung bestimmen.
Wird z. B. die Hardware durch Drucker, Diskettenlaufwerk und zusätzliche
Speichermodule ergänzt, dann steht der Nutzung eines Kleincomputers
als Textverarbeitungssystem nur noch dessen einfache Tastatur im Wege.
Ebenso kann eine leistungsfähige Grafiksoftware einem vollgrafikfähigen
Kleincomputer schon beachtliche zeichnerische Fähigkeiten verleihen,
allerdings sollte der Nutzer hier etwas Geduld aufbringen.
Die kombinierte Nutzung dieser Möglichkeiten
ergibt das komplexe Werkzeug Computer. Eine kleine Auswahl von Einsatzfällen
sind die Überwachung oder Steuerung bestimmter Abläufe, die Durchführung
zeitaufwendiger Berechnungen, die Herstellung und das Redigieren von Texten,
das Suchen in Dateien, die Nutzung als "Wissensspeicher" beim Problemlösen,
die Förderung von Lehren, Lernen und Spiel und die Nutzung als kreatives
Werkzeug für den Konstrukteur und den Künstler. Welche Rolle
spielen nun im Hinblick auf die genannten Möglichkeiten unter Berücksichtigung
des Preis/Leistungs-Verhältnisses die Kleincomputer?
Lerncomputer "LC 80"; Hersteller:
VEB Mikroelektronik "Karl Marx" Erfurt.
Beim Vergleich der einzelnen Geräte
wird zunächst von der Grundversion, wie sie der Handel anbietet, ausgegangen.
Das ist deshalb von Bedeutung, weil mit industriell gefertigten oder selbst
hergestellten Hard- und Softwareergänzungen die Leistungsfähigkeit
jedes einzelnen Computertyps enorm gesteigert werden kann. Freilich wäre
für einen Anwender, der den Computer als Werkzeug nutzen will, sofort
auf einen der geforderten Leistung angepaßten Typ zu orientieren.
So kann zwar mit relativ großem Aufwand an den Poly 880 ein Bildschirm
angeschlossen werden, der bessere Weg führt aber über die "Bildschirmcomputer"
KC 87, KC 85/3 und "Z 1013".
Der Vergleich wird deshalb in folgenden drei Bereichen geführt: 1. Ein- und Ausgabe,
Zu 1. Die Ein- und Ausgabemöglichkeiten sind bei den einzelnen Computertypen unterschiedlich und deren Komfort ist letzten Endes eine Frage ihres Preises. 1.1. Manuelle Eingabe: Alle Computer besitzen hierzu Tastaturen, die aus ökonomischen Gründen bewußt einfach aufgebaut sind. Hier gilt es zu beachten, daß eine professionelle Tastatur für einen Personalcomputer etwa soviel wie das Grundgerat eines Kleincomputers kostet. Die Tastaturen für die Computer "LC 80" und Poly 880 sind nur für die Eingabe von Hexadezimalzahlen und bestimmten Befehlen vorgesehen. Die Tastaturen der anderen Kleincomputer sind alphanumerisch. Bei den Computern KC 85/3 und "Z 1013" sind die Tastaturen vom Gerät abgesetzt, Wenn bei der Nutzung des "Z 1013" häufig mit derTastatur gearbeitet werden muß (z. B. Datei- oder Textarbeit), sollte man die preiswerte, etwas umständlich zu bedienende Folientastatur durch eine leistungsfähige Ausführung ersetzen. 1.2. Optische Ausgabe: Hierzu bieten
der "LC 80" eine sechs- und der Poly 880 eine achtstellige Anzeige aus
Siebensegment-Leuchtdioden. Der Poly 880 wird seiner Bestimmung als Lernsystem
auch dadurch gerecht, daß über zusätzliche Leuchtdioden
der Zustand von Adreß-, Daten- und Steuerbus angezeigt wird. Die
Kleincomputer KC 87, KC 85/3 und "Z 1013" sind über ein Videointerface
an jedes Fernsehgerät anschließbar. Der KC 87 liefert dazu 24
Bildschimzeilen zu je 40 Spalten in farbiger Darstellung (beim KC 85/1
Farbe nur mit Zusatzmodul).
1.3. Akustische Ausgabe: Ein kleiner Lautsprecher ist in den Grundgeraten "LC 80", KC 85/1, KC 87 und KC 85/3 enthalten. Die anderen Computer können um diese Baugruppe erweitert werden. Die Nutzung als Musikcomputer stellt aber höhere Anforderungen an Hard- und Software. So bietet z. B. der KC 85/3 einen zweikanaligen Tonausgang über Diodenbuchse und Steckerleiste (Programmierung z. B. in BASIC). 1.4. Externe Datenträger: Alle Kleincomputer gestatten die Auslagerung von Programmen und Daten auf ein Kassettenmagnetbandgerät. Die Übertragungsrate ist mit rund 100 Bit/s beim "LC 80" sehr langsam. Der Poly 880 arbeitet mit einer Übertragungsrate von etwa 800 Bit/s, die übrigen mit rund 1000 Bit/s. Besonders hervorzuheben ist, daß die Magnetbandanschlüsse der Computer KC 87, KC 85/3 und "Z 1013" für das Einlesen und Auslagern von BASIC- Programmen identisch sind. Das bedeutet allerdings nicht, daß der jeweilige BASIC-Interpreter die Anweisungen auch interpretieren kann. 1.5. Prozeßsignale: Die Computer
"LC 80" und Poly 880 sind vorrangig für
Tabelle 1: Technische Parameter des Kleincomputers KC 85/1 Zu 2. Hier sei nochmals darauf verwiesen, daß die Grundhardware bei allen Computern auf vielfältige Art und Weise erweitert werden kann. 2.1. Mikroprozessor: Alle Kleincomputer verwenden den in der DDR weitverbreiteten Prozessor U 880 D. Das erleichtert den Umgang mit den verschiedenen Computern in Klubs und Arbeitsgemeinschaften, in denen er als Ausbildungsgegenstand dient, erheblich. 2.2. Nur-Lese-Speicher (ROM): Der ROM der Computer "LC 80" und Poly 880 umfaßt 2 Kbyte und enthält das Monitorprogramm für den Computer (Monitor ist der Teil des Betriebssystems eines Computers, der die Gesamtarbeit koordiniert). Jeder Monitor bietet bestimmte Extras. So startet z. B. der "LC 80" mit einer Melodie und der Poly 880 bietet als Lernsystern einen Computerstop nach jedem Maschinenzyklus. Ebenso unterscheiden sich die Betriebssysteme der Computer KC 87, KC 85/3 und "Z 1013" wesentlich (Speicherplatzbedarf jeweils 4 KByte). 2.3. Schreib/Lese-Speicher (RAM): Hier soll nun auf den vom Nutzer frei verfügbaren Speicherplatz eingegangen werden. Der "LC 80" und Poly 880 bieten lediglich 1 KByte. Das macht nochmals deutlich, daß diese Computer vorrangig für Steuerungsaufgaben und eine Programmierung in Maschinenkode gedacht sind. Die Kleincomputer KC 87, KC 85/3 und "Z 1013" verfügen in der Grundausstattung über einen frei verfügbaren Schreib/Lese-Speicher von 16 KByte. Muß aber in Ermangelung eines BASIC- Moduls der BASIC-Interpreter als Basissoftware in den Schreib/Lese-Speicher geladen werden, dann bleiben für den Nutzer nur knapp 5 KByte verfügbar (zum Vergleich: Eine Schreibmaschinenseite umfaßt etwa 1,8 KByte). 2.4. Stromversorgung: Zum "LC 80" ist vom Nutzer eine externe Wechsel- oder Gleichstromquelle zur Verfügung zu stellen. Auch für den "Z 1013" muß eine Wechselspannung aus einem Transformator, der nicht zum Lieferumfang gehört, bereitgestellt werden. Das entspricht, ebenso wie die Einfachheit der Tastatur, dem Herstellerkonzept für einen Mikrorechnerbausatz.
Tabelle 2: Technische Parameter des Kleincomputers KC 85/2 Zu 3. Komfortable Software ist nur möglich, wenn die entsprechenden Hardwarevoraussetzungen vorliegen. Sie ist nur sinnvoll, wenn der Kontakt zu entsprechenden Ein- und Ausgabegeräten organisiert ist (Farbbildschirrn, Drucker). 3.1. Betriebssystem mit Monitor:
Die Monitore der Computer "LC 80" und Poly 880 gestatten den Dialog mit
dem Computer nur auf dem Niveau der Maschinensprache. Der Umgang mit diesen
Computern setzt deshalb Kenntnisse über Aufbau und Funktionsweise
des Mikroprozessors U 880 D und dessen Programmierung in Maschinensprache
voraus. Sind andere Computer, die die Assembler-Programmierung erlauben,
verfügbar, so können diese bei der Herstellung von Programmen
für den "LC 80" und den Poly 880 helfen. Solche U-880-Assembler gibt
es z. B. für die Kleincomputer KC 87, KC 85/3, für alle Büro-und
Personalcomputer und für Mikrorechnerentwicklungssysteme.
3.2. Basissoftware: Basis- oder
Hilfssoftware soll die Herstellung von Programmen unterstützen. Da
sie selbst umfassenden Speicherplatz und darüber hinaus eine alphanumerische
Arbeitsweise (Tastatur und Bildschirm) fordert, müssen hier die Computer
"LC 80" und Poly 880 in der Grundversion unberücksichtigt bleiben.
Dem eingangs betrachteten Werkzeugcharakter des Computers in den verschiedenen
technischen, naturwissenschaftlichen und künstlerischen Disziplinen
entsprechen die Computer KC 87, KC 85/3 und "Z 1013", sofern sie mit BASIC-Interpreter
genutzt werden. Alle drei BASIC-Interpreter benötigen einen Speicherplatz
von etwa 10 KByte. Bei der Arbeit mit einem BASIC- Modul (KC 87 und KC
85/3) geht dies nicht zu Lasten des frei verfügbaren Schreib-Lese-
Speichers für den Nutzer.
Tabelle 3: Technische Parameter des Mikrorechnerbausatzes "Z 1013" Tabelle 4: Technische Parameter des Lerncomputers "LC 80" Daraus folgt, daß letztenendes nicht der Computertyp über den Erfolg entscheidet (der Fotograf mit dem besten Apparat macht keineswegs immer die besten Aufnahmen), sondern die Ideen zur sinnvollen Nutzung des Computers dafür ausschlaggebend sind. Damit bleibt die herbe Erkenntnis, daß der Computer uns das Denken nicht abnimmt, ja, er fordert es geradezu heraus.
Vielen Dank an Hans-Georg Demme aus Gotha für die Bereitstellung des mittleren Teiles (FA 06/87) dieses Artikels ! |